Der Verlust eines geliebten Menschen ist eine emotionale und oft belastende Zeit, die zusätzlich komplizierter wird, wenn der Nachlass grenzüberschreitende Erbschaften betrifft. Als Auswanderer oder Angehörige stehen Sie möglicherweise vor den Herausforderungen des ungarischen Erbrechts und den Vorschriften der EU. In diesem Beitrag erläutern wir die wichtigsten Aspekte und Unterschiede zu Deutschland in der Nachlassverwaltung in Ungarn, insbesondere für diejenigen, die nicht in Ungarn leben oder deren Vermögenswerte sich auf mehrere Länder verteilen.
Das ungarische Erbrecht im Überblick
Das ungarische Erbrecht basiert auf dem ungarischen Zivilgesetzbuch (Act V of 2013). Grundsätzlich wird zwischen der gesetzlichen und testamentarischen Erbfolge unterschieden. Die gesetzliche Erbfolge greift ein, wenn kein Testament vorliegt und sieht die Verteilung des Nachlasses unter den Familienangehörigen ersten Grades, wie Ehe- bzw. Lebenspartner, Eltern, Kinder, aber auch Geschwister des Verstorbenen vor. Im ungarischen Recht haben Kinder und Ehepartner. Vorrang, gefolgt von Eltern und Geschwistern.
Gesetzliche Erbfolge in Ungarn
Wenn kein Testament vorhanden ist, tritt die gesetzliche Erbfolge in Kraft. Diese berücksichtigt an erster Stelle die Kinder. Der überlebende Ehepartner erhält das Nutzungsrecht (Wohnrecht), auch bekannt als Nießbrauch an der gemeinsam genutzten Wohnung und einen Teil des Nachlasses. Kinder und Eltern (soweit diese noch leben) teilen sich das restliche Vermögen. Für Erben, die sich außerhalb Ungarns befinden, kann dies rechtliche und logistische Herausforderungen darstellen, weil sie in der Regel nicht mit den ungarischen Vorschriften vertraut sind und die Abläufe beherrschen.
Testamentarische Verfügungen
Ein Testament in Ungarn kann in handschriftlicher Form, als ein von einem Rechtsanwalt erstelltes Dokument oder notariell verfasst werden. Es ist wichtig, dass das Testament den rechtlichen Anforderungen und der rechtlichen Form entspricht, um Gültigkeit zu erlangen. Zudem bietet das ungarische Recht die Möglichkeit, das Erbrecht des Herkunftslandes des Verstorbenen anzuwenden, was für Auswanderer eine wertvolle Option sein kann. Diese Option muss explizit im Testament festgehalten werden, um wirksam zu sein(European Union)(AustrianGov).
Grenzüberschreitende Erbschaften und die EU-Nachlassverordnung
Seit dem Inkrafttreten der EU-Nachlassverordnung (Regulation (EU) No. 650/2012) im Jahr 2015 wurde die Abwicklung grenzüberschreitender Erbschaften innerhalb der EU vereinfacht. Diese Verordnung ermöglicht es, dass das Recht des letzten gewöhnlichen Wohnsitzes, also der letzte Lebensmittelpunkt des Verstorbenen angewendet wird, auch wenn dieser eine andere Staatsangehörigkeit hatte. Eine Regelung um den Lebensmittelpunkt festzustellen gibt es nicht. Es liegt daher bei neuen Auswanderern im Ermessen der ungarischen Justiz, ob ein Nachlassverfahren nach ungarischem Recht oder dem Recht des Herkunftslandes eines Verstorbenen erfolgt. Für die meisten Auswanderer, die bereits länger in Ungarn leben bedeutet dies, dass für sie das ungarische Erbrecht gilt, es sei denn, im Testament wurde ausdrücklich die Anwendung des Rechts des Herkunftslandes festgelegt. (European Union).
Wahl des anwendbaren Rechts
Personen, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat leben, können also wählen, dass das Erbrecht ihres Herkunftslandes für ihren Nachlass gelten soll oder nicht. Dies ist besonders dann wichtig, wenn das Erbrecht des Herkunftslandes für die individuelle Situation günstiger ist. Beispielsweise können bestimmte Erbenrechte oder Steuervorteile im Heimatland anders geregelt sein(AustrianGov).
Auswirkungen auf ausländische Erben und Angehörige
Für ausländische Erben, insbesondere aus Deutschland, Österreich und besonders der Schweiz, kann die Anwendung des ungarischen Erbrechts komplex sein. Insbesondere dann, wenn Immobilien oder andere Vermögenswerte in Ungarn vorhanden sind, müssen spezifische rechtliche und steuerliche Regelungen beachtet werden. Erben sollten daher rechtzeitig anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen, um sicherzustellen, dass sie die relevanten Bestimmungen einhalten und alles für einen möglichen „Fall der Fälle“ vorbereitet haben. (AustrianGov).
Sollte ein Auswanderer in Ungarn nichts für seinen Nachlass vorbereitet haben, kann es schnell passieren, dass sich ein Nachlassverfahren über zwei Jahre oder länger erstrecken kann. Dies führt nicht selten zu deutlich höheren Kosten und enormen Wertverlusten, beispielsweise bei Immobilienwerten. Abgesehen davon führen die mangelnden Sprachkenntnis, die weiten Entfernungen und die Unwissenheit der Angehörigen häufig zu Frust und Resignation bei den Erben eines verstorbenen Auswanderers und es droht ein vollständiger Wertverlust für die Angehörigen.
Die Rolle des ungarischen Notars
In Ungarn spielt der Notar eine zentrale Rolle bei der Nachlassabwicklung. Er leitet im Gegensatz zu Deutschland das gesamte Nachlassverfahren und erfüllt die rechtlichen Grundlagen, damit die rechtmäßigen Erben ihren Nachlass erhalten können. Der Notar hat die Befugnis, den Wert des Nachlasses zu bestimmen, Schulden zu berücksichtigen und geerbtes Eigentum rechtmäßig zu übertragen. Besonders bei grenzüberschreitenden Erbschaften arbeitet der Notar eng mit den ausländischen Behörden zusammen, um den Erben den Zugang zu ihrem Erbe zu ermöglichen(https://magyarorszag.hu).
Erforderliche Dokumente
Für eine reibungslose Nachlassabwicklung müssen Erben eine Reihe von Dokumenten vorlegen. Dazu zählen unter anderem:
- Testament (falls vorhanden),
- Totenschein & Sterbeurkunde,
- Einzelnachweise und weitere Dokumente.
Ein wichtiger Bestandteil des Verfahrens ist das Nachlassinventar, das in der Gemeinde des Verstorbenen eingereicht werden muss. Das Nachlassinventar hat den Zweck, den Wert des Nachlasses zu ermitteln und sicherzustellen, dass die Erben ihren rechtmäßigen Anteil erhalten. Oft scheitern hier schon viele Angehörige von verstorbenen Auswanderern dran, wenn sie in einem anderen Land leben weil sie nicht wissen, dass dieses Formerfordernis erfüllt werden muss und andererseits in vielen Fälle einfach Unwissenheit über die Vermögenswerte, wie Auto, Versicherung etc. bestehen. Nach Abschluss des Nachlassverfahrens stellt der Notar das Erbscheinzeugnis aus, das die offizielle Übertragung des Eigentums in Ungarn ermöglicht. (https://magyarorszag.hu). Sollten dem Verstorbenen noch sonstige Vermögenswerte oder Immobilien in anderen EU-Staaten gehört haben, empfiehlt es sich, bei dem ungarischen Notar ein EU-Nachlasszeugnis bei dem Notar zu beantragen.
Übrigens: In Ungarn ist gesetzlich festgelegt, welcher Notar für welche Region die Nachlassverfahren eröffnen und durchführen darf.
Steuerliche Aspekte des Nachlasses in Ungarn
Ungarn erhebt keine Erbschaftssteuer für Verwandte ersten Grade, wie Ehepartner, Kinder oder Eltern(AustrianGov) und sogar Geschwister. Das bedeutet, dass direkte Erben keine zusätzlichen finanziellen Belastungen durch den ungarischen Staat zu erwarten haben, wenn sie Vermögen in Ungarn erben. Dennoch sollten Erben in Deutschland, Österreich oder der Schweiz darauf achten, dass in ihren Heimatländern möglicherweise Erbschaftssteuern anfallen, was zu einer Doppelbesteuerung führen kann.
Vermeidung der Doppelbesteuerung
Um die Doppelbesteuerung zu vermeiden, haben Ungarn und viele andere Länder, darunter Deutschland und Österreich, Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen. Diese Abkommen regeln, welches Land in einem Erbfall das Recht hat, Steuern zu erheben. Es ist ratsam, sich frühzeitig über die steuerlichen Pflichten zu informieren und gegebenenfalls einen Steuerberater im Ansässigkeitsstaat der Erben hinzuzuziehen(AustrianGov)(European Union).
Immobilien und Nachlass in Ungarn: Rechte an Immobilien
Ein weiterer wichtiger Aspekt bei grenzüberschreitenden Erbschaften ist die Übertragung von Rechten an Immobilien. Nach ungarischem Recht müssen sich die Erben das Eigentum an einer geerbten Immobilie offiziell übertragen lassen. Dies geschieht durch die Eintragung in das Grundbuch, die vom Notar vorgenommen wird (https://magyarorszag.hu). Zudem müssen alle Schulden, die mit der Immobilie verbunden sind, vor der Übertragung berücksichtigt werden. Hier kann es kompliziert werden, wenn die Erben im Ausland leben und die rechtlichen Besonderheiten des ungarischen Immobilienrechts nicht kennen(European Union). In diesem Fall ist die Zuhilfenahme eines Anwalts für Immobilienrecht unbedingt zu empfehlen.
Tipps für die Nachlassplanung in Ungarn
Für Auswanderer in Ungarn ist es unerlässlich, ihren Nachlass rechtzeitig zu planen, um potenzielle Konflikte und Schwierigkeiten zu vermeiden. Hier sind einige nützliche Tipps:
- Erstellen Sie ein Testament: Sorgen Sie dafür, dass Ihr Testament den Anforderungen des ungarischen Rechts entspricht. Ein „Berliner Testament“ wird in der Regel in Ungarn nicht anerkannt. Legen Sie auch fest, ob das Erbrecht Ihres Herkunftslandes oder Ungarns angewendet werden soll.
- Nachlassplanung: Die VerMaKom GmbH hat sich auf die Nachlassplanung spezialisiert, um bereits zu Lebzeiten alle wichtigen und relevanten Dokumente korrekt und rechtssicher für den „Fall der Fälle“ aufzubereiten. Diese „Lebensinventur“ ermöglicht ein reibungsloses Nachlassverfahren für Ihre Angehörigen in einem angemessen Zeitrahmen. Besonders bei grenzüberschreitenden Erbschaften ist dies von besonderer Bedeutung, um rechtliche Komplikationen, grenzüberschreitende Missverständnisse und unnötiges Chaos zu vermeiden.
- Steuerliche Beratung: Lassen Sie sich über die steuerlichen Pflichten Ihrer Erben in Ungarn und Ihrem Heimatland beraten, um unerwartete Kosten oder vermeidbare Steuerzahlungen zu sparen. Nutzen Sie die Vorteile eines Doppelbesteuerungsabkommens.
- Grundbuchanmeldung bei Immobilien: Stellen Sie sicher, dass alle Immobilientransfers offiziell in das ungarische Grundbuch eingetragen werden, um den rechtmäßigen Besitz zu sichern und im Erbschaftsfall eine schnelle und unbürokratische Umschreibung zu ermöglichen.
- Nachlassverwaltung: Gemeinsam mit unserem Netzwerk aus internationalen Anwälten, Notaren, Dolmetschern und Immobilienmaklern in Ungarn, Deutschland, Österreich und der Schweiz sorgen wir dafür, dass Ihr Nachlass so schnell und unkompliziert abgewickelt wird und Ihre Erben stressfrei und (falls nötig) ohne nach Ungarn kommen zu müssen erhalten werden. Somit können Sie sich weiter auf Ihren Beruf und Ihre Familie in der Heimat fokussieren.
Fazit
Eine professionelle Nachlassverwaltung in Ungarn ist besonders für Hinterbliebene von Auswanderern in Ungarn und deren Angehörige im Ausland erforderlich. Mit einer sorgfältigen Planung in Kombination mit einer rechtlichen Unterstützung können Sie sich (im Krankheitsfall) und Ihren Angehörigen eine Menge Leid, Sorgen und Zeit ersparen.
Durch die EU-Nachlassverordnung und die Möglichkeit, das Erbrecht des Heimatlandes anzuwenden, können bei entsprechender Vorbereitung viele Probleme und Herausforderungen vermieden werden, bevor sie überhaupt zum Tragen kommen.
Professionelle Beratung durch Notare und Steuerberater sowie eine rechtzeitige Notfall- und Nachlassplanung sind der Schlüssel, um den Nachlassprozess effizient und konfliktfrei zu gestalten.
Wenn Sie Fragen haben oder Unterstützung bei Ihrer Nachlassplanung in Ungarn benötigen, zögern Sie nicht, sich an einen Fachmann zu wenden.
Ihnen hat dieser Beitrag gefallen und Sie haben spezifische Fragen zu Ihrem Nachlass in Ungarn oder wünschen eine Beratung zu Ihrer Nachlassplanung?
Buchen Sie sich gerne Ihre kostenfreie Erstberatung mit uns!
Fachliche Verifizierung durch:
Dr. Csetneki Gábor – Ügyvédi Társulás (Anwaltsvereinigung)
Budapest – Nagykanizsa – Eger
0 Kommentare